Gegen Hitze in Aktion
In Bielefeld wird es heißer, unerträglich heiß. Dem setzt die Stadt einen Hitzeaktionsplan entgegen. Bei dem Thema sind Charlotte Weitekemper und Silvia Bose ins Schwitzen geraten

Siegfriedplatz, Anfang Juli, 18 Uhr: eine graue Wolkendecke scheint auf den Platz zu drücken. Das Thermometer zeigt 36 Grad, laut Wetter-App sind es gefühlt aber 38 Grad. Und das ist erst der Anfang. Es wird heißer, kann sogar lebensfeindlich werden.
Dabei schneidet Bielefeld laut jüngstem Hitzecheck der Deutschen Umwelthilfe gar nicht so schlecht ab – dank Teutoburger Wald, Parks, Grünzügen und auch ländlich geprägtem Stadtgebiet. Doch besonders in den innerstädtischen Bereichen – im dicht bebauten Westen oder der Innenstadt mit der Pflasterwüste Jahnplatz – staut sich die Hitze enorm. Die Luftfeuchtigkeit bewegt sich oft im mittleren Prozentbereich. Und die gefühlte Temperatur ist durch diese höher, weil der Schweiß weniger gut verdunstet.
Damit steigt auch der sogenannte Hitzestress Besonders bei vulnerablen, also den verletzlichen und anfälligen Gruppen wie Senior*innen, kleinen Kindern, chronisch Kranken oder Obdachlosen ist das Limit schnell erreicht. Die Hitze wirkt vielfältig auf Körper und Geist: Hitzegeplagte sind oft gereizt und aggressiv, sie können sich schlecht konzentrieren und fühlen sich schwach und schwindelig. Das Risiko für Unfälle und Verletzungen steigt.
Für ältere Menschen gilt eine gefühlte Temperatur von 36 Grad als »extreme Wärmebelastung, die mit einer sehr hohen gesundheitlichen Gefährdung einhergeht«. Der Seniorenrat war es denn auch, der vor sechs Jahren die Idee eines Hitzeaktionsplan (HAP) einbrachte und vorantrieb. »Wir haben massiven Handlungsbedarf!«, sagt Wolfgang Aubke, Vorsitzender des Seniorenrates. »Wir hoffen mit dem HAP Hitzetote zu vermeiden und dafür zu sorgen, dass der Zustand vulnerabler Gruppen sich an heißen Tagen nicht verschlechtert«.
Der HAP setzt stark auf Information und Aufklärung: Über die Homepage der Stadt, eine App, Hitzetelefon und Flyer. Die Informationsmaterialien zum Verhalten bei Hitze gehen laut Amt für soziale Leistungen »weg wie warme Semmeln«.
Leiden vermeiden
Die Stadt sieht sich für Hitzewellen gut gerüstet und verbucht es als Erfolg, dass das Interesse der Stadtgesellschaft für das Thema Hitze groß ist. Andere würden es wohl hohen Leidensdruck nennen.
Um Leiden zu vermeiden, löst Bielefeld bei Hitzewarnungen des Deutschen Wetterdienstes eine sogenannte Kommunikationskaskade aus. Dann informiert das Gesundheitsamt die Hitzebeauftragten der Ämter in der Stadtverwaltung. Die wiederum informieren die für das Thema Verantwortlichen in Kliniken, Altenheimen, Kitas oder Drogenhilfeeinrichtungen, und die nehmen Kontakt auf mit hitzeempfindlichen Menschen auf. Regen zum Trinken an, klären über richtige Kleidung auf oder weisen auf kühle Orte hin, wie Kirchen oder U-Bahnstationen.
Zeitgleich unterstützen Hitzepaten und Hitzepatinnen. Rund 40 hat die Stadt schon ausgebildet, die bei Hitze in ihrem Umfeld unterstützen. »Hier passt es mal wieder: von Bürger*innen für Bürger*innen«, heißt es beim Gesundheitsamt. Auch der Vorsitzende des Seniorenrats Aubke ist von den helfenden Bürger*innen begeistert. Wichtig sind ihm auch die Fortbildungen für Ärzt*innen. Die wüssten oft nicht, dass manche Medikamente bei Hitze anders wirkten, reduziert oder ganz abgesetzt werden müssten. Aubke ist vom HAP überzeugt und weiß doch, dass der nicht alle Probleme löst. So erfordern hohe Temperaturen von Mitarbeiter*innen stationärer Einrichtungen wie Kliniken und Pflegeheime, sich intensiver um Patient*innen und Bewohner*innen zu kümmern und mehr Zeit aufzuwenden. Nur, Ressourcen dafür gibt es nicht und daran kann auch der HAP nichts ändern.
Fit machen für Morgen
In Zukunft will die Stadt die Informationen zu Hitzebewältigung und -prävention weiter ausarbeiten. Geplant sind auch Trinkwasserbrunnen an öffentlichen Plätzen und eine Kampagne zum Thema Trinkmotivation. Weitere Ideen könnte der deutsche Pavillon auf der gerade laufenden Architektur-Biennale in Venedig liefern. Gäste erleben hier in STRESS-Räumen hautnah, wie versiegelte Flächen, fehlender Schatten und spiegelnde Fassaden die Temperaturen in die Höhe treiben. Eine bedrückende, aber notwendige Erfahrung, um das Ausmaß der Herausforderung zu verstehen. Und sie erfahren in DESTRESS-Räume, was Anpassungsstrategien leisten können, wenn Architektur, Landschaftsarchitektur und Stadtplanung Hand in Hand arbeiten. So lassen sich widerstandsfähige, nachhaltige und lebenswerte Städte gestalten – mit viel Grün, Schatten, mit Lüftung und kühlender Verdunstung.