Mieten bezahlbar halten
Die Bielefelder Baulandstrategie soll den Bau bezahlbarer Wohnungen möglich machen. Jetzt trägt die Strategie endlich Früchte. Von Hans-Georg Pütz
Mit der Bielefelder Baulandstrategie läuft es wie mit Arminia: in der ersten Halbzeit im Schlafmodus; in der zweiten Halbzeit wach und durchaus effektiv. Im Juli 2019 hat der Rat der Stadt die Strategie beschlossen. Seitdem hat sich wenig getan. Deshalb haben Kritiker aus der CDU die Baulandstrategie zu einem »Misserfolg mit Ansage« und »für gescheitert« erklärt. Aber das entspricht keineswegs den Tatsachen. In den nächsten Jahren sollen über tausend Wohneinheiten in Eigenheimen und Mehrfamilienhäusern entstehen. Ein ehrgeiziges Ziel angesichts der Krise am Wohnungsmarkt und in der Bauwirtschaft.
Dem Markt ein Schnäppchen schlagen
Das Problem für die lahmende Bauwirtschaft sind neben den derzeit hohen Zinsen und gestiegenen Kosten in der Baubranche vor allem das fehlende Bauland und die aufgrund der Mangellage extrem gestiegenen Bodenpreise. Unter diesen Marktbedingungen steigen die Mieten im Neubau in Großstädten wie Bielefeld auf ein Niveau von 15 Euro pro Quadratmeter. Solche Mieten sind selbst für Menschen mit mittlerem Einkommen nur noch schwer bezahlbar.
Auch in Bielefeld ist Bauland sehr teuer geworden. Zwischen Siegfriedplatz und Alm zum Beispiel sind die Bodenrichtwerte auf 600 Euro pro Quadratmeter gestiegen. Unter 300 Euro ist der Quadratmeter nur noch in den weniger attraktiven Randlagen zu haben. Die sechs Bebauungspläne mit einer Gesamtfläche von 51 Hektar, die aktuell im Rahmen der Baulandstrategie verfolgt werden, liegen darum alle eher am Rande der Stadt, in Heepen, Brackwede und Stieghorst.
Dominic Hallau (GRÜNE) ist überzeugt, dass die von der Ratskoalition beschlossene Baulandstrategie und die Erhöhung der Sozialwohnungsquote von 25 auf 33 Prozent zu mehr bezahlbarem Wohnraum führen wird. 15 Millionen Euro stehen der BBVG (Bielefelder Beteiligungs- und Vermögensverwaltungsgesellschaft) dafür zur Verfügung. Und so funktioniert es: »Die Stadt schafft nur dort Baurecht, wo die Eigentümer des Bodens bereit sind, mindestens 50 Prozent der Fläche an die Stadt zu verkaufen und auf den anderen 50 Prozent mindestens 33 Prozent Sozialwohnungen zu realisieren«, erklärt Matthias Brakensiek vom Bauamt. Der mit der BBVG auszuhandelnde Verkaufspreis orientiere sich dabei an den zu erwartenden Bodenrichtwerten, abzüglich der Erschließungskosten und Infrastrukturmaßnahmen, die zur Entwicklung baureifer Grundstücke erforderlich seien. Ziel der Stadt ist die
planungsrechtliche Entwicklung von Flächen, die für den Bau bezahlbarer Wohnungen zu vergünstigten Konditionen vermarktet werden können.
Kein Grundrecht auf Spekulationsgewinne
Bei den Eigentümern des Bodens und den Investoren setzt das einen Teilverzicht auf Bodenwertsteigerungen und Spekulationsgewinne voraus. Die gedeckelten Verkaufspreise und die Pflicht zum Bau von Sozialwohnungen treffen aber oft nicht auf Gegenliebe. Wenn das »Kerngeschäft eines Bauträgers die Erstellung von freifinanzierten Wohnungen ist«, wie der Bielefelder Investor Heiko Hädrich erklärt, dann haben Projekte mit einer Quote für geförderten und damit bezahlbaren Wohnungsbau bei der gegenwärtigen Marktlage keine Chance.
Tatsache aber ist, dass die Bodenwertsteigerungen erst durch Maßnahmen der Allgemeinheit entstehen – wie die Aufwertung von Ackerflächen, die Erschließung von Gebieten durch den Öffentlichen Personennahverkehr und ähnliches. Darum sollten Wertsteigerungen auch nicht ausschließlich privat angeeignet werden. Eine Einsicht, der sich die Bielefelder CDU und FDP verschließen, wenn sie gegen die Baulandstrategie polemisieren und bedauern, dass die Grundstückbesitzer nicht die angestrebten leistungslosen Bodenpreise realisieren können. Es gibt aber, wie schon das Verfassungsgericht festgestellt hat, kein Grundrecht auf Spekulationsgewinne. Im Gegenteil: »Eigentum verpflichtet«, heißt es im Grundgesetz, Artikel 14, Absatz 2. »Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen«.